Was mich neben der grandiosen Landschaft besonders an Neuseeland fasziniert, ist der selbstverständliche Umgang mit der Geschichte und der Kultur des Landes. Die Māori leben nicht (wie zum Beispiel viele Indianischstämmige in den USA) am Rande der Gesellschaft, sondern sind ein wichtiges und akzeptiertes Identitätsmerkmal Neuseelands.
Während meiner privaten geothermalen Tour habe ich mich sehr viel mit meinem Guide, dem Māori Huru, unterhalten und bin deshalb umso gespannter, noch mehr über diese interessante Kultur zu erfahren und uralte Tänze, Gesänge und Gebräuche kennenzulernen. Dafür fahre ich mit einer kleinen Reisegruppe abends zu einem Māori-Dorf, wo uns neben einem Einblick in die Kultur auch ein traditionelles Hangi-Abendessen erwartet.
Das Māori-Dorf liegt 20 Minuten von Rotorua entfernt, mitten in einem alten Tawa Wald. Auf dem Weg dahin erzählt uns der Busfahrer Māorilegenden und bringt uns einige Māori-Wörter bei. Die Sprache der Māori beeinflusst den neuseeländischen Alltag stark und vor allem der Ausdruck „Kia Ora“ (ausgesprochen: Ki-ora) ist eine gängige Begrüßung oder ein Ausdruck des Danks.
Wenn man Neuseeland im Bus oder mit dem Auto durchquert, wird man außerdem zwangsläufig mit Māori konfrontiert, denn vor allem Ortsnamen, Sehenswürdigkeiten und eigentlich alle Berge und Flüsse haben alte māorische Bezeichnungen. Besonders hilfreich, um zum Beispiel Städtenamen zu verstehen und sich die langen Begriffe merken zu können, sind folgende häufig verwendeten Wörter:
nui: big
roto: See
wai: Wasser
awa: Fluss
Hinter jedem Namen steckt eine Geschichte. „Rotorua“ bedeutet zum Beispiel übersetzt „zweiter See“. Die Māori kamen ursprünglich vor circa 800 Jahren mit ihren Kanus aus Polynesien (v.a. Tahiti) und der heutige Lake Rotorua war der zweite See, den sie in dieser Gegend erblickten und an dem sie sich niederließen. Besonders amüsant finde ich, dass „Māori“ übersetzt „Landbewohner“ bedeutet. Die Menschen kamen von kleineren Inseln, weshalb ihnen Neuseeland wie ein riesiges Festland erschien, doch eigentlich besteht Neuseeland aus der Nord- und Südinsel.
Der Busfahrer erklärt uns das Protokoll für den Abend und eröffnet uns, dass wir nun nicht mehr in einem Bus sitzen, sondern in einem waka (Kanu), denn wir sind jetzt ein Stamm, der das Dorf besuchen möchte. Deshalb müssen wir auch einen Häuptling auswählen, der unsere kleine Reisegruppe dem Māori-Chief gegenüber repräsentieren wird. Die wichtigsten Vokabeln für den Abend bekommen wir dann auch noch schnell beigebracht:
paki paki- Applaus
aye- Ja
manuhiri: Gast
marae: Versammlungsort
karakia: Gebet, Segen
waiata: Lied, Gesang
haka: Kriegstanz
tapu: heilig
kai: Essen
iwi: Stamm
whare: Wohnhaus
rangatira: Häuptling
Nach jeder Erklärung dröhnt ein lautstarkes aye durch den Bus und wir sind alle mit Adrenalin vollgepumpt und freuen uns auf den Abend, als wir auf dem Vorplatz des Dorfs anhalten. Sofort beginnt der sogenannte powhiri, eine formelle Begrüßungszeremonie.
Natürlich ist das alles nur Show, doch trotzdem liegt eine irrsinnige Anspannung in der Luft und ich bedauere unseren ausgewählten Häuptling, der sichtlich nervös ist, da er den komplizierten Ablauf der Zeremonie durchlaufen muss. Eine Gruppe Māori-Krieger begrüßt uns mit kriegerischen Tänzen und schließlich bietet der Māori-Chief unserem Chief einen Zweig an. Das ist das Zeichen, dass wir akzeptiert werden und das Dorf als Gäste betreten dürfen.
Ein Begrüßungs-Nasenkuss unter Chiefs darf natürlich auch nicht fehlen ;) Wir laufen an uralten Bäumen und Fackeln vorbei, bis zu kleinen Häusern und werden dort von lachenden Māori aufgefordert, nicht mehr so angespannt zu gucken.
Nach dieser anfänglichen Unsicherheit treten wir näher und betrachten neugierig die Gesichts-Tattoos, die meistens mit 14 Jahren gestochen werden. Die linke Gesichtshälfte zeigt dabei das Symbol der Mutter und die rechte Seite das Symbol des Vaters. Die Farbe wurde früher aus Beeren und Kohle hergestellt, doch heute ist man auf maschinelle Tattoos umgestiegen. Dieser Brauch stirbt allerdings langsam aus. Viele Māori (zum Beispiel auch mein Guide Huru) wollen sich nicht tätowieren lassen, weil sie es als unnötiges Statussymbol empfinden.
An mehreren kleinen Häuschen sind Stationen aufgebaut, an denen uns die Māori verschiedene typische Handwerke erklären, wie zum Beispiel das traditionelle Weben mit Blättern. Hierfür wurde früher mit der Kante einer Muschel das Blatt entlang geschabt, um die biegsamen Fäden freizulegen.
Ein paar Māori führen den Haka noch einmal auf und zeigen uns kriegerische Trainingsmethoden. Der Ball, der an einem Seil herumgewirbelt wird, stärkt die Handgelenke (wird aber hauptsächlich von Frauen beim Tanzen verwendet), der Speertanz verbessert die Geschicklichkeit und der Baumstammlauf kommt jedem Sportler bekannt vor, der beim Training schon einmal durch Reifen oder Leitern laufen musste.
Dann wird feierlich das Hangi-Abendessen aus der Erde gehoben. Das besondere am Hangi ist, dass das Essen stundenlang auf heißen Vulkansteinen unter der Erde gekocht wird, was vor allem das Fleisch besonders zart macht.
Während für uns das Büfett vorbereitet wird, werden wir in das ancestral marae geleitet, wo uns der haka dance, poi dance und traditionelle waiata (harmonische Lieder) vorgeführt werden.
Schließlich beginnt das Festmahl mit Māori rewana bread, Lamm und Hühnchen, rauchigen Kartoffeln, stuffing, Fisch, Muscheln, Gemüse, diversen Nachtischen etc. Es ist unmöglich, zu beschreiben, wie grandios das Essen geschmeckt hat, nachdem ich mich die vergangenen Wochen als arme Backpackerin eher günstig (also spartanisch) ernährt habe.
Nach einem poroporoaki (offizielle Abschlusszeremonie mit einem Segen) sitzen wir vollgefuttert und glücklich wieder im Bus, singen während der Rückfahrt mit unserem Busfahrer Lieder (er scheitert bei dem Versuch, uns alte Māorilieder beizubringen) und lachen viel. Das war einfach nur ein großartiger und magischer Abend!
Bist du schon mal auf alte Kulturen getroffen? Was hat dich fasziniert?